Kashmirischer Shivaismus

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Der kaschmirische Shivaismus ist eine monistische Schule und eine Weiterentwicklung des hinduistischen Shivaismus im kaschmirischen Raum, in der die religiösen Texte (Agamas) als unmittelbarer Ausdruck des höchsten Gottes Shiva angesehen werden.[1][2][3] [4]

Diese Form des Shivaismus ist auch als Trika-Schule (Triade, Trika Śaiva) bekannt. Andere Formen des Shivaismus in Kaschmir sind die Schulen des Shaiva-Siddhanta, Shrividya (Heiliges Wissen) oder bestimmte Formen von Shiva wie Svaccanda-Bhairava.

Es gab schon vor 800 CE eine Vorentwicklung in Schriften wie dem Siddhayogesvarimata Tantra, dem Malinivijayottara Tantra und dem Tantrasadbhava Tantra.

In einer zweiten Phase der Entwicklung wurde die Göttin Kali zuerst immanent im Trio der Göttinnen und dann in das Pantheon des Krama Shaivismus integriert.

Die kashmirische Schule entstand so während des 8. bis 9. Jahrhunderts n. Chr.[5][6][7] und machte bis zum Ende des 12. Jahrhunderts sowohl philosophisch als auch theologisch sehr große Fortschritte.[8]
Sie ähnelt dem Hindu-Tantra, da sie durch den Einfluss von Abhinavagupta eine Synthese von verschiedenen Tantraschulen und Einflüssen aus der Bhagavad-Gita mit dem gemeinsamen Sri-Yantra als Symbol wurde. Sie unterscheidet sich dadurch in den höchsten Ebenen oberhalb des Ishvara-Tattwas vom Hinduismus.
In dieser Schule des Shivaismusses gilt Shiva als das unerschaffene Absolute, das höchste Selbst. Das Universum wird als von göttlichem Bewusstsein angefüllte Projektion Shivas angesehen. Shivas Reflexion in Shakti enthält das Universum als Reflexion dieser Reflexion.

Sri Yantra

Paramshiva

Abhinavagupta(* um 950; † 1020) ergänzte den kashmirischen Shivaismus um 4 Ebenen. Die Schöpfung findet hier innerhalb der von Paramshiva erschaffenen 36 Kategorien[9] statt, vom reinen Geist (Shivatattva) bis zum Erdelement.
Dieser weiterentwickelte Shivaismus unterscheidet sich daher in den höchsten Ebenen oberhalb des Ishvara-Tattwas(trimurti) vom Hinduismus(25 Tattwas) schon bezüglich der Position des Sadashiva.

Der höchste Shiva direkt unterhalb des Paramshiva ist daher nicht mit dem hinduistischen Maheshvara der trimurti zu verwechseln.
Maheshvara ist der gleiche Shiva im kashmirischen Ishvar-Tattwa, der in den Shiva Sutras den dynamischen Aspekt Bhairava generiert und dessen 8 Manifestationen (Kala Bhairava(Zeit), Asitanga Bhairava, Samhara Bhairava, Ruru Bhairava(Lehrer), Krodha Bhairava(Zorn), Kapala Bhairava, Rudra Bhirava and Unmatta Bhairava(rasend)[10].

Spanda wird als Shivas pulsierende Energie angesehen, die bewirkt, dass das Universum sich ewigwährend periodisch ausbreitet und wieder zusammenzieht.[11]

Das Cit (Sanskrit:Bewusstsein) des höchsten Shiva ist nicht mit der Chit-Shakti des Sadashiva-Tattwas zu verwechseln. Es gilt in dieser Schule als göttliches und allgegenwärtiges Bewusstsein und als die einzige Wirklichkeit.

Materie ist nicht vom Bewusstsein getrennt. Im kaschmirischen Shivaismus wird angenommen, dass es in Wahrheit keine Kluft zwischen Gott und der Welt gibt. Die Welt stellt sich hier nicht als eine Illusion wie im Advaita-Vedanta dar, sondern die Wahrnehmung der Dualität wird als die Illusion angesehen.

Es liegt zwar eine Identität aller Wesen mit Shiva vor, doch sind diese unrein und von Maya beeinflusst, so dass die wahre Identität mit Shiva nicht wahrgenommen wird. Aus diesem Grunde gibt es im kaschmirischen Shivaismus spirituelle Praktiken zur Wahrnehmung dieser Einheit mit Shiva. Die Wahrnehmung der Identität mit Shiva findet dann in einem Akt der direkten Intuition in Bezug auf die wahre Realität statt. [12]

Die Diksha, die Initiation durch den Guru, ist hierbei von zentraler Bedeutung, denn diese führt zu Sadhana, spiritueller Praxis und Anugraha, göttlicher Gnade. Das Ziel der Sadhana ist die Befreiung im Leben, Jivanmukti.[13]

Der mythologische Ursprung des kaschmirischen Shivaismusses

Da die Philosophie des Kaschmir-Shivaismusses tief in den Tantras verwurzelt ist, beginnt die Tradition mit Shiva selbst. Nach der Tradition nahm Shiva die Form von Srikanthanath an (Berg Kailasa), da das Wissen der Tantras in der Zeit des Kali Yuga verloren gegangen war, wo er Durvasa vollständig in alle Formen des tantrischen Wissens einweihte, einschließlich des abheda (ohne Unterscheidung), bhedabheda (mit und ohne Unterscheidung), und bheda (unterscheidend), wie es in den Bhairava Tantras, den Rudra Tantras, und den Shiva Tantras beschrieben wird.

Durvasa meditierte intensiv in der Hoffnung, einen geeigneten Schüler zur Einweihung zu finden, hatte aber keinen Erfolg. Stattdessen schuf er drei geistgeschaffene Söhne und weihte den ersten Sohn Tryambaka vollständig in die monistische abheda Philosophie des Bhairava Tantra ein, das als Kaschmir-Shivaismus bekannt ist.[14]

Konzepte des Kaschmir-Shivaismus

Trisulabija - Mandala

Anuttara, der Höchste

Anuttara ist das höchste Prinzip im Kaschmir-Shivaismus, und als solches ist es die fundamentale Wirklichkeit, dem ganzen Universum zugrundeliegend. Unter den vielen Interpretationen von Anuttara sind: „Allerhöchstes“, „über Allem“ und „unübertroffene Wirklichkeit“.[15]

Im Sanskrit - Alphabet wird Anuttara mit dem ersten Buchstaben 'A' verbunden. Als das allerhöchste Prinzip wird Anuttara mit Shiva identifiziert und mit Shakti, da Shakti mit Shiva identisch ist, als das höchste Bewusstsein (Cit), als ungeschaffenes Licht (prakasa), höchstes Objekt (aham) und zeitlose Schwingung (spanda).

Der Praktzierende, der Anuttara (Cit-Bewusstsein) verwirklicht hat, benötigt keine weitere Praxis, da er in Besitz von sofortiger Verwirklichung und vollkommener Freiheit (svatantrya) ist. Anuttara underscheidet sich vom Begriff Transzendenz darin, dass obwohl es über allem steht, es nicht einen Status der Trennung vom Universum darstellt.[16] Ein Anuttarayoga-Tantra ist auch im Buddhismus bekannt.

Aham, das Herz Shivas

Das Herz hat im kashmirischen Shivaismus die wichtige Funktion der Transformation der niederen Kräfte wie die dreifache Kundalini, die nicht erweckt wird. Daher gibt es hier verschiedene Mantras.

Aham (Sanskrit: Ich) ist das Konzept der höchsten Wirklichkeit als solches. Es wird als nichtdualistischer innerer Raum von Shiva betrachtet und als Stütze der ganzen Schöpfung[17], als höchstes Mantra[18] und als identisch mit der Shakti[19]. Es spiegelt sich aber auch individuell unterhalb der Kanchukas im Bereich des Anthakarana(Antahkaran : Mana, Ahankara und Buddhi) als Ahamkara wieder. Abhinavagupta beschrieb neben dem A-Ham eine weitere Technik zur Läuterung des Herzens.

Ein weiteres Mantra ist Sauh. Ein anderes Mantra 'Kh-Ph- REM' von Abhinavagupta wird auch als 'Herz der Rückabsorption' bezeichnet. Ein drittes Mantra ist Ks M R Y U M. [20]

Kula, die spirituelle Gruppe

Kula (auch Kaula) wird als Familie oder Gruppe übersetzt. Solche mystischen Strukturen existieren auf verschiedenen Ebenen und sind aus vielen auch komplementären verbundenen Teilen gebildet. Sie werden Familien genannt, um das gemeinsame vereinigende Band zu betonen, das der allerhöchste Gott ist, d.h. Shiva.[21] Die Praktiken der Kula gelten als mystisch und die Betonung liegt weniger auf philosophischen Erörterungen und mehr auf sofortiger Erfahrung. In ihrer Essenz ist Kula eine Form der körperlichen Alchemie wo die niederen Aspekte der Person in höhere aufgelöst werden, da sie alle als Form einer einheitlichen Gruppe angesehen werden, eine Kula, die sich an Shiva anlehnt.[22][23]

Die Shiva-Sutras

Der erste große Eingeweihte in der Geschichte dieses spirituellen Pfades war Vasugupta(um 875–925).[24] Vasugupta formulierte zum ersten Mal schriftlich die Prinzipien und Hauptlehren dieses Systems. Ein fundamentales Werk des Shivaismus sind die traditionell Vasugupta zugeordneten Shiva Sutras. Diese sind eine Sammlung von Aphorismen. Traditionell werden diese Sutras als eine Offenbarung Shivas an Vasugupta angesehen. [25]

Nach der Mythologie hatte Vasugupta einen Traum, in dem Shiva ihm befahl, zum nahegelegenen Mahadeva - Berg in Kaschmir zu gehen. Auf diesem Berg soll er in einen Felsen gravierte Verse gefunden haben, die Shiva Sutras, welche die Lehren des Shiva-Monismusses umschreiben. Sie sind eine der Hauptquellen des Kaschmir-Shivaismusses[26], der sich auch als Shaivadvaita bezeichnet.
Die Sutras legen eine rein nichtduale Metaphysik wie im Advaita-Vedanta dar. [27] Diese Sutras sind der Typ von Hindu-Schriften, die als Agamas bekannt sind, und sie sind auch bekannt als die Shiva Upanishad Samgraha oder Shivarahasyagama Samgraha.[28]
Im Hinduismus sind weitere Shiva gewidmete Puranas bekannt wie das Shiva- oder Vayupurana, das Lingapurana, das Skandapurana, das Agni-Purana, das Matsyapurana und das Kurmapurana.

Klassifikation der niedergeschriebenen Tradition

Die ersten kaschmirischen Shiva-Texte wurden im frühen neunten Jahrhundert n.Ch. geschrieben. [29] Als monistisches Tantra-System oder Trika-Shivaismus, als das es auch bekannt ist, entnimmt es Lehren aus den Shrutis, wie den monistischen Bhairava-Tantras, dem Shiva Sutra von Vasugupta, und auch einer besonderen Version der Bhagavad Gita die auch mit Kommentar von Abhinavagupta als Gitartha Samgraha bekannt ist.
Als Svacchandanath wird im kashmirischen Shivaismus ein Avatar von Shiva angesehen der die 92 Tantras offenbart haben soll.

Es werden auch Lehren aus dem Tantraloka verwendet, dem Hauptwerk von Abhinavagupta, das aus den im Kashmir-Shivaismus verwendeten Smritis hervorsticht. Generell kann die ganze niedergeschriebene Tradition des Shivaismusses in drei Hauptteile aufgeteilt werden : Agama Shastra, Spanda Shastra und Pratyabhijña Shastra.

  • Agama Shastra sind jene Schriften, die als direkte Offenbarung Shivas betrachtet werden. Diese Schriften wurden zuerst vom Meister zum würdigen Schüler mündlich überliefert. Sie beinhalten für diese Schule essenzielle Werke wie das Malinivijaya Tantra, das Svacchanda Tantra, das Vijñanabhairava Tantra, das Netra-Tantra, das Magendra-Tantra, das Rudrayamala- Tantra, das Shiva Sutra und weitere wie ‘Vijhdnabhairava’, ‘Ucchusmabhairava’, ‘Anandabhairava’, ‘Mdtanga’, ‘Netra’, ‘Naisvasa’, ‘Svayambhuva’.

Es existieren zahlreiche Kommentare zu diesen Werken, die meisten zum Shiva Sutra.[30][31]

  • Das Spanda Shastra, dessen Hauptwerk das Spanda Karika von Bhatta Kallata, einem Schüler von Vasugupta, ist, mit seinen vielen Kommentaren. Von diesen sind zwei von größerer Bedeutung: Spanda Sandoha (diese Kommentar handelt nur von den ersten Versen des Spanda Karika), und das Spanda Nirnaya (welches ein Kommentar zum ganzen Text ist).[32] Das Spanda Karika hat eine Kosmologie zum Thema, in der durch eine Vibration (Spanda) im höchsten Bewusstsein (Shiva) das Universum hervortritt. Diese Vibration wird hervorgerufen durch Shakti, Shivas Energie, die die Manifestation des Kosmos ist und aus dem Einen alles entfaltet, und dennoch nicht von Shivas Transzendenz getrennt ist. Dieser Nicht-Dualismus ist kennzeichnend für die Trika-Schule [33]
  • Pratyabhijña Shastra sind jene Schriften die hauptsächlich einen metaphysischen Inhalt haben. Wegen der Annahme diese Schriften hätten ein außerordentlich hohes, spirituelles und intellektuelles Niveau, ist dieser Teil der niedergeschriebenen Tradition des Shivaismus der für die Uneingeweihten am wenigsten zugängliche. Trotzdem bezieht sich dieser Teil der Schriften auf die einfachste und direkteste Form der spirituellen Selbstverwirklichung. Pratyabhijña bedeutet „Wahrnehmung“ und bezieht sich auf die spontane Wahrnehmung der göttlichen Natur die in jedem menschlichen Wesen verborgen ist, den Atman.

Bedeutende Werke in dieser Kategorie sind: Ishvara Pratyabhijña, das fundamentale Werk von Utpaladeva und Pratyabhijña Vimarsini, ein Kommentar zur Ishvara Pratyabhijña sowie ‘Sivadrishti’ von Somananda, ‘Pratyabhijhdkarika’ von Utpala, ‘Malinivijayottaravartika’, ‘Pratyabhijnavimarsini’, ‘Tantra Loka’, ‘Tantrasara’ und ‘Paramdrthasdra’ von Abhinavagupta sowie ‘Pratyabhijndhadaya’ von Ksemaraja,

Ishvara Pratyabhijña bedeutet die direkte Wahrnehmung der Gottheit Ishvara als identisch mit dem eigenen Herzen.
Vor Utpaladeva schrieb sein Meister Somananda das Siva Drsti(The Vision of Shiva), ein devotionales Gedicht mit vielen Bedeutungsebenen. [34]

Abhinavagupta behauptet, dass die Trika oder Kula das Wesen aller anderen Schriften enthält, und dass die anderen darunter angeordnet sind, wie höhere und niedrigere Körperteile.[35]

Prominente Heilige des Kaschmir-Shivaismus

Alle vier Zweige der Kaschmir-Shivaismus-Tradition wurden vom großen Philosophen Abhinavagupta (um 950–1020) zusammengefasst.[36] Unter seinen bedeutenden Arbeiten ist das Tantraloka das wichtigste, dessen Verse eine majestätische Synthese der ganzen Tradition des shivaitischen Monismus darstellen. Abhinavagupta glättete erfolgreich alle existierenden Unterschiede und Verschiedenheiten aus, die unter den verschiedenen Zweigen und Schulen des Kaschmir-Shivaismus vor ihm existierten. Dabei bietet er eine einheitliche, schlüßige und vollständige Vision dieses Systems an. Wegen der außerordentlichen Länge von 5859 Versen[37] des Tantraloka erstellte Abhinavagupta selbst eine kürzere Version als Prosa namens Tantrasara („Die Essenz des Tantra“).

Lakshman Joo

Ein anderer bedeutender Kashmir-Shivaist ist Jayaratha (1150–1200[38]), der seinen Kommentar zum Tantraloka hinzufügte, eine lebenslange Aufgabe von großem Schwierigkeitsgrad,[39] ohne die einige Passagen des Tantraloka heute nicht verstanden werden könnten.
Tagore kommentierte, daß der kashmirische Shivaismus zu einer solchen lebendigen Tiefe des Denkens vorgedrungen sei, daß er die vielfältigen Strömungen der menschlichen Weisheit in einer leuchtenden Synthese vereint.

Bekannte moderne shivaistische Gurus[40] waren der 1995 verstorbene Mahatapasvi Shri Kumarswami.[41] sowie Swami Lakshman Joo.

Die vier Hauptschulen des kaschmirischen Shivaismusses

Krama

Der Ausdruck 'Krama' bedeutet 'Fortschritt','Abstufung' oder 'Abfolge' in der Bedeutung von 'spiritueller Abstufung'[42] oder 'stufenweise Verbesserung des geistigen Prozesses' (vikalpa)[43], oder 'abgestufte Entfaltung auf höchsten Niveau', im höchsten Bewusstseins (Cit)[44] im Sinne der Stufen des Ashtanga-Yoga. Hier werden die ersten 3 Stufen vorausgesetzt und Atem- und Meditationsübungen praktiziert. Der Fünfstern ist ein zentrales Symbol.

Das ausgeprägteste Charakteristikum des Krama ist seine monistisch-dualistische (bhedabhedopaya) Disziplin in den Vorstufen der spirituellen Verwirklichung.[45] Auch wenn der Kaschmir-Shivaismus ein idealistisch-monistisches System ist, als Vorstufen des spirituellen Pfades. So soll das Krama-System dualistische und nichtdualistische Methoden anwenden, aber in der zugrundeliegenden Philosophie nicht-dualistisch bleiben[46]. Krama hat eine positive erkenntnistheoretische Basis, mit dem Ziel einer Synthese von Freude (bhoga) und Erleuchtung (Moksha). Es lehrt einen dem Ashtanga Yoga ähnlichen Stufenpfad, der die ersten drei Stufen des Ashtanga Yoga voraussetzt.

Kula

Eine andere sehr bedeutende Schule des Kaschmir-Shivaismusses ist Kula oder Kaula, was in Sanskrit soviel wie 'Familie' oder 'Ganzheit' bedeutet. Sie ist ein Musterbeispiel für eine Schule des tantrischen linken Pfades. Hier hat die Shakti in Form von 'Kaulika' eine überragende Rolle als eine Form der bindenden Kraft des Kula. Sie ist eine Energie sowohl von Geist als auch von Materie welche sie überbrückt und den Pfad der Evolution für das Bewusstsein vom Ego zum Spirituellen schafft.

Die Lehren des Kula[47] sind ein Grundgerüst des 'Tantraloka' und des 'Tantrasara'.

Kaula sollte daher nicht mit rotem oder schwarzem Tantra verwechselt werden. Die Praktiken drehen sich um die Transformation der Sexualkraft und der niederen Kräfte unter kompetenter eingeweihter Führung. Das Ziel und der Höhepunkt der spirituellen Evolution ist hier ein extrovertierter alles beinhaltender Samadhi, die Bhairavi mudra, jagadananda oder bhava samadhi[48].

Spanda

Das Spanda-System, das von Vasugupta (um 860–925) eingeführt wurde, wird gewöhnlich als „Vibration/Bewegung des Bewusstseins“ beschrieben. Abhinavagupta benutzt den Ausdruck „eine Art von Bewegung“ um den Unterschied zu physikalischer Bewegung zu unterstreichen; es ist eher eine Schwingung oder ein Ton innerhalb des Göttlichen (Shabda), ein Pulsieren[49]. Die Essenz dieser Schwingung ist das ekstatische selbstbezogene Bewusstsein.

Die zentrale Lehre dieses Systems ist, dass alles Spanda ist, sowohl die objektive äußere Wirklichkeit als auch die subjektive Welt [50][51]. Nichts existiert ohne Bewegung [52], aber die höchste Bewegung findet nicht innerhalb von Raum und Zeit statt sondern innerhalb des höchsten Bewusstseins Cit. Daher ist dies ein Zyklus der Verinnerlichung und Veräusserlichung des Bewusstseins selbst, bezogen auf die erhabenste Ebene der Schöpfung.

Um den Bedeutungsumfang des Spanda-Konzeptes zu beschreiben, werden eine Reihe von äquivalenten Konzepten aufgezählt wie: selbstbezogenes Bewusstsein - vimarsa[53], unbehinderter Wille des höchsten Bewusstseins (Cit) - svatantrya, höchste kreative Energie - Visarga, Herz des Göttlichen - Hrdaya und Ozean des Licht-Bewusstseins[54] - cidananda.

Die bedeutendsten Texte des Systems sind die Shiva Sutras von Vasugupta, das Spanda Karika und das Vijñana Bhairava Tantra.[55]

Pratyabhijña

Die Pratyabhijña - Schule, die in Sanskrit wörtlich „spontane Wahrnehmung“ bedeutet, ist eine einzigartige Schule da sie keine Upayas (Mittel) verwendet, und damit keine praktischen Übungen hat. Die einzige durchzuführende Handlung ist die Betrachtung darüber, wer man ist. Dieses Mittel wird auch als Anupaya(Sanskrit für „ohne Mittel“) bezeichnet. Der kaschmirische Meister Somananda belebte diese Schule im achten Jahrhundert n.Chr. wieder. [56]

Die 36 Tattwas

Der Weltbild des kaschmirischen Shivaismus unterscheidet 36 Tattvas oder Energieebenen, die von Paramshiva erzeugt wurden[57][58]. Es unterscheidet sich vom Hinduismus, der nur 25 Tattwas kennt, nur im Aufbau der Tattvas oberhalb des Ishvara-Tattvas(Tapoloka). Aus hinduistischer Sicht entspricht letzteres Tattva den Trimurti bzw. dem Tapa-Loka.

Paramshiva geht weit über den Hinduismus hinaus, der nur noch einen mit Sadashiva vergleichbaren Parambrahma[59] im Parabrahman kennt. Seine spirituelle Höhe wird daher auch mangels Selbstverwirklichung oft verkannt.

  • Fünf Reine Tattvas, ganz oben angefangen mit dem Shiva-Tattva (Shudda-Tattwas) - Mahamaya
  • Sieben Reine sowohl reine als auch unreine ShuddaAshudda Tattwas - hier besteht schon eine Vermischung mit der unreinen Maya [60]
  • 24 Unreine(ashudda) Tattvas angefangen mit der Prakriti, wo Maya vorherrscht[61]

Praktiken

Der dreifache spirituelle Pfad besteht aus den Upaya - Gruppen Sambhavopaya, Saktopaya und Anavopaya[62].

Der kashmirische Shivaismus teilt sich in drei Tantraklassen auf :

  1. Monoistische Bhairava Tantras.
  2. Monistisch-dualistische Rudra Tantras : Bhedābheda ('mit Unterscheidung und ohne Unterscheidung') .
  3. Dualistische Shiva Tantras.

Obwohl das Trika die Autorität der Tantras anerkennt, haben neben dem Mālinīvijaya ("Mālinīvijayottara") weitere 10 Texte einen höheren Rang : Vijñānabhairava, Svacchanda, Rudrayāmala, Mṛgendra, Mataṅga; Ucchuṣmabhairava, Svāyambhuva, Ānandabhairava, Naiśvāsa and Netra. Aus diesen Texten leiten sich auch die Praktiken her.

Eine bekannte kashmirische Meditationspraxis ist die Aham-Herzensmeditation mit Unterstützung der Kechadri-Mudra. Weitere Praktiken sind spezielle Atemübungen und die Visualisierung eines Fünfsterns[63] sowie die Erweckung der feurigen Kula - Kundalini. Daneben werden nicht nur in Ritualen verschiedenste Mantras verwendet.

Die Zeitzyklen

Die Zeitzyklen im Kaschmir-Shivaismus ähneln den großen Yugas oder Kalpas des Hinduismusses.

Literatur

  • Self Realization in Kashmir Shaivism: The Oral Teachings of Swami Lakshmanjoo, John Hughes, State University of New York Press, 1994, ISBN-10: 0791421805 ISBN-13: 978-0791421802
  • Swami Lakshmanjoo: Die geheimen Lehren des Kashmir Shivaismus, John Hughes, Aquamarin Verlag 2014, ‎ 160 Seiten, ISBN-10 ‏ : ‎ 3894276711, ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3894276713, Originaltitel ‏ : ‎ Self realization in Kashmir Shaivism
  • Shakti in kashmir shaivism
  • Heilswege im Hinduismus und Buddhismus PDF
  • Kaula and other Upanishads PDF
  • Vijnana bhairava Tantra PDF
  • The Doctrine of Vibration - Mark Dyczkowsky
  • Basham A. L. Zysk, Kenneth (Herausgeber) The Origins and Development of Classical Hinduism 1989 Oxford University Press New York isbn 0-19-507349-5
  • Spanda-Karikas: The Divine Creative Pulsation [Paperback], Jaideva Singh (Author), Publisher: Motilal Banarsidass Pub; 2012 edition (February 5, 2012), Language: English, ISBN-10: 8120808215 ISBN-13: 978-8120808218
  • Para-trisika-Vivarana by Abhinavagupta: The Secret of Tantric Mysticism [Paperback], Jaideva Singh, Publisher: Motilal Banarsidass, India; 1 edition (January 1, 2011), Language: English, ISBN-10: 8120804724 ISBN-13: 978-8120804722
  • Kamala Kala Vilas of Punya Nanda
  • Kama-kala-vilasa
  • Flood Gavin An Introduction to Hinduism 1996 Cambridge University Press Cambridge isbn 0-521-43878-0
  • Lakshmanjoo Swami Kashmir Shaivism: The Secret Supreme 2003 1st Books Library isbn=1-58721-505-5
  • Muktananda, Secret of the Siddhas, Siddha Yoga Publications
  • John Hughes: Self Realization In Kashmir Shaivism. 1997
  • John Hughes und Lakshman: Kashmir Shaivism: The Secret Supreme. Authorhouse, 2007
  • Abhinavagupta: Luce delle Sacre Scritture (Tantrāloka). Trad. v. Raniero Gnoli. Torino: Unione Tipografico-Editrice Torinese, 1980
  • Quintessence of Vedanta of Sri Sankaracharya: Sarva Vedanta Siddhanta Sara Sangraha, Sri Sankaracharya, Swami Tattwananda tr., Sri Ramakrishna Advaita Ashrama; 1970, ASIN: B001CO7WYU
  • Denise Cush, Catherine Robinson, Michael York (Hrg.): Encyclopedia of Hinduism. London (u.a.), Routledge 2008
  • Abhinavagupta: The Kula ritual, nach Kapitel 29 des Tantraloka, Band 5 von Tantra Series, Autoren John R. Dupuche, Abhinavagupta (Rajanaka.), Jayaratha, Übersetzt von John R. Dupuche, Verlag Motilal Banarsidass Publishers, 2003
  • Triadic Heart of Siva: Kaula Tantricism von Abhinavagupta im nichtdualen kashmirischen Shivaismus (Suny Series, Shaiva Traditions of Kashmir)
  • Abhinavagupta's Commentary on the Bhagavad Gita: Gitartha Samgraha (Including Sanskrit Text of the Commentary and It's English Translation) m Trans. By. Boris Marjanovic ; Hardcover (Edition: 2004) Indica Books, Varanasi ISBN 81-86569-26-X
  • The Doctrine of Vibration: An Analysis of the Doctrines and Practices of Kashmir Shaivism (The Suny Series in the Shaiva Traditions of Kashmir), Mark S. G. Dyczkowski, ISBN-10 0887064329 ISBN-13 978-0887064326
  • Canon of the Saivagama and the Kubjika Tantras of the Western Kaula Tradition (Suny Series in the Shaiva Traditions of Kashmir) [Hardcover], Mark S. G. Dyczkowski, ISBN-10: 0887064949 ISBN-13: 978-0887064944
  • Encyclopedia of Hinduism, Indian Heritage Research Foundation, 2013, Thalia , ISBN-10: 1-60887-175-4

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Kashmir Shaivism: The Secret Supreme, Swami Lakshman Jee, S. 103
  2. The Trika Saivism of Kashmir, Moti Lal Pandit
  3. The Doctrine of Vibration: An Analysis of Doctrines and Practices of Kashmir Shaivism, Mark S. G. Dyczkowski, S. 51
  4. https://www.kamakotimandali.com/2021/04/10/the-agamic-tradition-of-kashmir/ The Agamic Tradition of Kashmir]
  5. Kashmir Shaivism: The Secret Supreme, von Lakshman Jee
  6. Über die Entstehung des Kashmir Shaivismusses im 9. Jahrhundert: Basham, S. 110.
  7. The Doctrine of Vibration: Eine Analyse von Lehren und Praktiken des Kashmir Shivaismus von Mark S. G. Dyczkowski, S. 4
  8. The Trika Saivism of Kashmir, Moti Lal Pandit, S. 1
  9. http://en.wikipedia.org/wiki/The_36_tattvas]]
  10. Concept of Manifestation Process in Kashmir Shaivism - Mudasir Ahmad Tantray, Tariq Rafeeq Khan and Ifrah Mohi ud Din Rather
  11. Encyclopedia of Hinduism, S.417
  12. Encyclopedia of Hinduism, S.417
  13. Encyclopedia of Hinduism, S.418
  14. Lakshmanjoo, S. 87–93.
  15. Para-trisika Vivarana, Jaideva Singh, S. 20–27
  16. The Triadic Heart of Shiva, Paul Muller-Ortega, pag. 88
  17. Para-trisika Vivara?a, Jaideva Singh, page 194
  18. Para-trisika Vivara?a, Jaideva Singh, S. 180
  19. Para-trisika Vivara?a, Jaideva Singh, S. 127
  20. Orthega : Triadic heart of Shiva, S 178-181
  21. The Triadic Heart of Shiva, Paul Muller-Ortega, S. 102
  22. The Triadic Heart of Shiva, Paul Muller-Ortega, Seite 60
  23. Abhinavagupta: Das Kula Ritual, nach Kapitel 29 des Tantraloka, Seite 87
  24. Zur Datierung von Vasugupta siehe: Flood, S. 167
  25. Grundlagenforschung zu den Shiva-Sutras und ihre Klassifizierung als Agama und zum Glauben, dass diese die offenbarten Schriften sind siehe: Tattwananda, S. 54
  26. Eine Zusammenfassung des Traumes der zu der Entdeckung der Shiva Sutras führte und ihre Wichtigkeit als Schlüsselquelle: Flood (1996), S. 167.
  27. Zur Charakterisierung des Inhalts als reine Advaita-Metaphysik, siehe: Tattwananda, S. 54
  28. Zu alternativen Namen und Klassifikation als Agama, siehe: Tattwananda, S. 54
  29. Dyczkowski, S.4
  30. The Trika Saivism of Kashmir, Moti Lal Pandit, Seite X
  31. {//yoniversum.nl/daktexts/tantext.html Tantras]
  32. The Trika Saivism of Kashmir, Moti Lal Pandit, S. X
  33. Encyclopedia of Hinduism S. 416
  34. The Trika Saivism of Kashmir, Moti Lal Pandit, S. XI
  35. Abhinavagupta: Luce delle Sacre Scritture (Tantrāloka). Trad. v. Raniero Gnoli. Torino: Unione Tipografico-Editrice Torinese, 1980, TA, 35.30-31, 8:3663.
  36. Triadic Mysticism, Paul E. Murphy, S. 12
  37. Tantric Studies in Memory of Hélène Burnner, Alexis Sanderson, Seite 371
  38. Introduction to the Tantraloka, Navijan Rastogi, S. 92
  39. Introduction to the Tantraloka, Navijan Rastogi, S. 102
  40. http://www.koausa.org/Saints/index.html shivaistische Heilige
  41. http://mahatapasvishrikumarswamiji.com/
  42. The Krama Tantricism of Kashmir, Navijan Rastogi, Seite 6
  43. The Krama Tantricism of Kashmir, Navijan Rastogi, S. 7
  44. The Krama Tantricism of Kashmir, Navijan Rastogi, S. 12
  45. The Krama Tantricism of Kashmir, Navijan Rastogi, S. 5
  46. The Krama Tantricism of Kashmir, Navijan Rastogi, Seite 5
  47. [Abhinavagupta: the Kula ritual , nach Kapitel 29 des Tantraloka, Band 5 von Tantra Series, Autoren John R. Dupuche, Abhinavagupta (Rajanaka.), Jayaratha, Übersetzt von John R. Dupuche, Verlag Motilal Banarsidass Publishers, 2003]
  48. https://en.wikipedia.org/wiki/Bhava_samadhi
  49. Spanda-Karikas, The Divine Creative Pulsation, Jaideva Singh, Seite XVI
  50. Spanda-Karikas, The Divine Creative Pulsation, Jaideva Singh, page XVII
  51. The Triadic Heart of Shiva, Paul Muller-Ortega, Seite 118
  52. Kashmir Shaivism, The Secret Supreme, Swami Lakshman Joo, page 136
  53. The Triadic Heart of Shiva, Paul Muller-Ortega, Seite 119
  54. The Triadic Heart of Shiva, Paul Muller-Ortega, Seite 146
  55. Kashmir Shaivism, The Secret Supreme, Swami Lakshman Joo, Seite 137
  56. Lakshmanjoo, S. 130–131.
  57. [Gnostizismus und Erkenntnispfad, Hermann Kloss, S.200]
  58. http://www.shivashakti.com/philtan.htm The Philosophy of Tripura Tantra
  59. Sri Yuktesvar Giri : Die heilige Wissenschaft
  60. Maya als Mangel an Einsicht in die Prinzipien der Transformation
  61. Verblendung von Maya und Samsara
  62. https://www.sanskrit-trikashaivism.com/en/trika-tantra-related-tantricism-1/510#TantricismTrika
  63. . Andererseits steht das tantrische System der Chakren im Mittelpunkt und damit verbunden http://www.universalshaivafellowship.org/teachings/practice/


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