Sufismus

Das Wort Sufismus (arab. taṣawwuf) bzw. Sufitum oder Sufik steht für eine Reihe von Strömungen im islamischen Kulturkreis.
Diese Strömungen hatten im Gegensatz zum Islam asketische Tendenzen und daneben eine spirituelle Orientierung. Die Anhänger des Sufismus wurden als Sufi (arab. Ṣūfī), Sufist oder auch Derwisch (pers. darwīš) bezeichnet.
Ihre praktischen und theoretischen Lehren gehen von einer Einheit alles Existierenden aus. Die Sufis sehen zusätzlich einen inneren Sinn (arab, bāṭin) des Korans.
Historie
Bis zum 9. Jahrhundert waren die Sufis (ṣūfīya) eine asketische Randgruppe im heutigen Irak.
Die ersten Sufis in Form von einzelnen Asketen soll es nach muslimischer Überlieferung aber schon zu Lebzeiten von Mohammed im 7. Jahrhundert gegeben haben. Als bekanntester gilt Uwais al-Qarani aus dem Jemen, ein Einsiedler in der Wüste. Auf ihn geht evtl. der älteste islamische Sufiorden Maktab Tarighat Oveyssi zurück.
Ab dem 10. Jahrhundert erschienen systematische Handbücher über den spirituellen Weg des Sufi, in denen die Nähe zum orthodoxen Sunnitentum betont wird.
Eine systematische Ausformulierung von Theologie und Epistemologie geschah durch Philosophen und Theologen wie Ghazali(1058–1111), Suhrawardi und Ibn Arabi(1165–1240).
Im 12. Jahrhundert bildeten sich Sufi-Orden aus, die auch religionspolitische Funktionen trugen.
Der Orden der Bektaschi-Dervische (Mevlevis) war im 19. Jahrhundert in der Türkei weit verbreitet. Er geht auf Dschalal ad-Din Rumi zurück.
Lehre
Die drei sufistischen Hauptideen sind die Nafs (Selbst, Ego, Seeele oder Psyche mit drei Entwicklungsstufen), das Qalb (Herz) und das Ruh (Geist).
Maqām (arabisch مقام, DMG maqām, Plural maqāmāt) ist ein Begriff aus dem Sufismus. Er bezeichnet die Wegstationen, die ein Gottessuchender auf seinem langen und mühevollen Weg der Reinigung auf der Suche nach Gott zurücklegen muss.
Maqām ist untrennbar mit dem Begriff Hāl verbunden, der den Seelenzustand des Suchenden auf seinem Weg kennzeichnet.
Die klassischen Sufi-Handbücher haben die mystischen Wegstationen systematisiert. Trotz unterschiedlicher Beschreibungen gibt es ein Grundschema der Wegstationen(mujāhadah):
- Umkehr
- Reue
- Armut und Gottvertrauen
- Zufriedenheit
- verschiedene Grade der Liebe bzw. Gottesliebe
Der Weg der Sufis wird auch in vier Stufen aufgeteilt
- Auslöschen der sinnlichen Wahrnehmung
- Aufgabe des Verhaftetseins an individuelle Eigenschaften
- Sterben des Ego (an-nafs al-ammara)
- Auflösung in das göttliche Prinzip (tauhid) : Gott ist ein Einziger (Allahu ahad)
Der Weg des Derwish hat die Stationen
- Scharia (islamisches Gesetz)
- Tariqa (der mystische Weg)
- Haqiqa (Wahrheit)
- Ma'rifa (Erkenntnis)
Weltbild
Der Sufismus unterscheidet bis zu sieben Stufen(Tanzalat-e-Satta)
- Hahut (göttliche Essenz)
- Lahut (Das Göttliche)
- Jabarut (Bereich der Macht)
- Malakut (Bereich der Engel) - getrenntes Bewusstsein
- Nasut (Bereich der Menschen) - parallel zur Sephiroth Malkhut.
Im Sufismus gibt es bezüglich des Namens Allahs Begriffe wie "Bang-i-Ilahi" (Ruf Gottes) und "Nida-i-Asmani" (himmlischer Ton, Surat). Andere Worte für den Nada sind Akash Bani (Sans.: Stimme des Raumes, himmlische Musik) und Sraosha (zoroastrisch: Stimme des Bewusstseins).
Lehrer und Praktiken
Die Sufi-Orden werden von einem sog. Sheikh geleitet. Die Silsila ('Kette') ist die spirituelle Kette eines Sheikhs, die ihn über vorherige Generationen von Lehrern oder Mystikern mit dem Propheten Mohammed verbindet. Entscheidend ist die Zahl und die Bedeutung der früheren Meister in seiner Kette.
Die Silsila ist auch eine Kette der Kraftübertragung, die in allen Tariqa-Orden eine zentrale Rolle spielt, da die Ordensgründer durch sie ihre Autorität gewinnen.
Nur wenige Ordensgründer erklärten ihre Segenskraft (Baraka) direkt mittels einer Vision vom Propheten erhalten zu haben.
Dikhr
Die Praktiken der einzelnen Orden sind unterschiedlich.
Einige Sheikhs lehren, Gott habe in jeden Menschen einen göttlichen Funken gelegt, der im tiefsten Herzen verborgen sei, der durch die Hinwendung zu allem nicht Göttlichen verschleiert werde,
wie etwa ein Wichtignehmen der materiellen Welt, Achtlosigkeit und Vergesslichkeit (Nafs).
Die Sufis praktizieren eine tägliche Übung namens Dhikr, was Gedenken (also Gedenken an Gott oder Dhikrullah) bedeutet. Dabei werden bestimmte Stellen aus dem Koran rezitiert und eine bestimmte Anzahl der neunundneunzig Attribute Gottes(Gottesnamen) wiederholt.
Daneben findet in den meisten Tariqas ein wöchentliches Zusammentreffen in einer Tekke (türkisch, arabisch: Zawiya) statt, bei dem neben der Pflege der Gemeinschaft und dem gemeinsamen Salat (Gebet) ebenfalls ein Dhikr ausgeführt wird. Je nach Orden kann dieser Dhikr auch Sama (Musik), bestimmte Körperbewegungen und Atmungsübungen beinhalten.
In den Bektaschi-Orden waren weitere Ritualübungen im Umlauf, die Herr Sebottendorf in Deutschalnd publizierte.
Muraqabah
Das Murāqabah ('beobachten') ist eine allgemein in den ṭarīqas anzutreffende Sufi-Meditation. Bei dieser Praxis beobachter der Sufi das Herz und gewinnt tiefere Eisichten. Das Ziel ist die Läuterung des gesamten Wesens und die Entwicklung eines geläuterten Charakters.
Es werden drei Stufen Unterschieden :
- Anfänger :
- Muraqaba des Lichtes
- Ihsan
- Nūr(unsichtbares Licht)
- Haatif-e-Ghabi (unhörbarer Ton des Kosmos)
- Gottesnamen: Kennenlernen der Eigenschaften Gottes
- Allah (Wahrer Name Gottes)
- Mittlere Stufe
- Maot (Tod): Bekanntschaft mit dem Leben nach dem Tod
- Qalb (Herz): Kennenlernen des spirituellen Herzens
- Wahdat (Einheit):Kennenlernen des Grundes für die kosmische Einheit, des Willens Gottes
- La (Nichtsheit): Kennenlernen des immateriellen Universums
- Adam (Präexistenz), die nächste Stufe des Muraqaba des Nichts.
- Fana (Vernichtung): die Vernichtung des Selbst, die Bekanntschaft mit dem Alpha und Omega des Universums.
- Höhere Praktiken
- Tasawwur-e-Sheikh (Konzentration des Geistes auf den Meister): Erleichterung des Transfers von spirituellem Wissen vom Meister zum Schüler.
- Tasawwur-e-Rasool (Konzentration auf den Propheten): Erleichterung des Transfers von Faiz (arkanes spirituelles Wissen) vom Propheten zum Schüler. Diese Konzentration des Geistes erfolgt auf Muhammad.
- Tasawwur-e-zat-e-Ilaahi (Den Geist auf Gott konzentrieren): Der Schüler erlebt den Tajalli-e-Zaat Gottes.
- Muraqba von Martaba-e-Ihsan (Konzentration auf die Vollkommenheit des Glaubens): Mohammad soll gesagt haben: "Du sollst Salat anbieten, als ob du Allah beobachtest. Wenn du das nicht kannst, dann biete Salat an, als ob Allah zuschaut Sie. Dies sind zwei Arten von Muraqba von Murtaba-e-Ihsan".
Verfolgung
Der Sufismus bediente sich nach Hinrichtungen einiger Meister der Geheimsprache Balaibalan (übersetzt: Sprache lebendig gemacht). Der offizielle Islam duldete keinen Scheich als Vermittler oder Guru zwischen Gott und dem Menschen.
Die Zwielichtsprache diente einmal der Verschleierung des Wissens als auch der Steigerung der Intuition der Schüler. Entsprechende Texte waren bewusst esoterisch, symbolisch, mehrdeutig und voller Anspielungen gehalten. Davon zeugt auch die Symbolik der sufistischen Gedichte.
Muhyiddin Ibn Arabi schreibt: 'Die als Göttliches Gesetz (schari‘a) offenbarten Schriften drücken sich, indem sie von Gott sprechen, so aus, dass die Mehrheit der Menschen den nächstliegenden Sinn davon zu fassen vermag, während die Auserwählten jeden Sinn verstehen, nämlich alle Bedeutungen, die jeglichem Wort den Regeln der verwendeten Sprache gemäß innewohnen (Fusus al-Hikam, »Die Weisheit der Propheten«, Kapitel über Noah)'[1].
Literatur
- Robert Frager: Heart, Self, & Soul – The Sufi Psychology of Growth, Balance, and Harmony ,1999 , ISBN-10: 083560778X; ISBN-13: 978-0835607780
- Die geheimen Übungen der türkischen Freimaurer, Rudolf von Sebottendorf, Waltharius ; ISBN: 9783932928123 (Sebottendorf starb 1945) (Original PDF)
- Secret Practices of the Sufi Freemasons: The Islamic Teachings at the Heart of Alchemy, Rudolf von Sebottendorf, Stephen E. Flowers, Runa-Raven Press 2011, ISBN-10: 1885972148, ISBN-13: 978-1885972149
- What is Sufism
- Makki and The nourishment of hearts (Qut al-qulub) in the context of Early Sufism
- Muslim Saints And Mystics
- Islamic sufism
- A Sufi Message of Spritiual liberty by Inayat Khan
- The Sufi message of Hazrat Inayat Khan by Inayat Khan, 1882-1927
- The Symbolism of Birds and Flight in the Writings of Ruzbehan Baqli
- A unique Sufi interpretation: Decoding the Quran - Ahmed Hulusi
- Kitab al-Isra by Ibn Arabi
- Golden Chain of Naqshbandi Order
- Letters from a Sufi Teacher by Sharf al-Din Maneri
- Sufi cosmology and psychology
- RUMI The Mathnawi - Vol 1 - Vol 2 ; (Online)
- The Persian Mystics - Rumi, 1920
- Dschalal addin Rumi: Das Lied der Flöte, 2010, ISBN: 3981359909
- Discourses of Rumi (OR FIHI MA FIHI) Translated by A.J. ARBERRY
- William Chittick, The Sufi Path of Knowledge, (Albany: State University of New York Press, 1983
- The secret meaning, Rumi’s Spiritual Lessons on Sufism
- Ghazali The Marvels Of The Heart, Skellie
- The Sufi Orders in Islam - J.Spencer Trimingham
- Die Before Dying: Activism and Passivity in Sufi Ethics
- Al Ghazali Munkidh Min Al Dalal - Deliverance From Error
- Makki and The nourishment of hearts (Qut al-qulub) in the context of Early Sufism
- Muhyiddin Ibn Arabi, Fusus al-Hikam(Siegel der Weisheit) ; (Link2 )
- Bücher von Hazrat I. Khan
Referenzen
Weblinks
- Wiki zum Sufismus
- Wiki über den Bektaschi Orden
- Liste der Sufi Orden
- Wiki zum Muraqabah
- The Sufijournal
- Sufimovement
- Wiki zu den 99 Namen Allahs
- Universelle Lehre : Sufi